Ich hatte schon vorher ein- oder zweimal die Lichthupe betätigt, damit meine Freundin merkte, dass ich mal tanken müsste. Nun verstärkte ich mein Geblinke. Doch nicht nur, dass meine Freundin nicht reagierte, ich sah nun auch den roten Nissan nicht mehr. Ein kleines, leises Panikgefühl machte sich in meinem Magen breit und stocherte mit jedem roten Aufflackern der Tankanzeige etwas mehr herum. Ich stieß verschiedene Flüche und Verwünschungen aus, um mich ein wenig abzureagieren. Aber das half alles nichts, denn der Nissan blieb verschwunden. Ich lichthupte trotzdem weiter, immer in der Hoffnung, dass der rote Nissan irgendwann wieder vor mir auftauchte (falls sich damals Belgier oder andere Touristen durch einen komischen Bulli mit Hänger durch fortwährendes Geblinke belästigt fühlten: ‘Tschuldigung, das war ich!). Inzwischen flackerte die Tankanzeige nicht mehr, sondern blieb schon seit einer bedrohlich langen Weile Glutrot. „So eine verdammte … AAARGHL!!! Kurz vor Deutschland, Sprit alle, Alte weg. ICH DREH DURCH!!!“ Doch halt! Da, das ist doch … JAAA, unser roter Nissan. Lichthupe zum Stroboskoplicht gesteigert, Warnblinker an, Schlangenlinien gefahren –“Hallo hier bin ich! Sieh mich!“ Nissan blinkt, die beste aller Freundinnen hat mich bemerkt. Halleluja, jetzt fehlt nur noch ‘ne Tanke. Aber es kam keine. Nach 20 Kilometern nicht und auch nicht nach 50. Sch***e! Nun fing sogar schon das glutrote Leuchten an zu flackern. Ich wusste bis dahin gar nicht, dass es noch eine Steigerung von „leer“ gibt. Hilft alles nichts, Blinker setzen, Freundin Zeichen geben, rechts ab auf den Parkplatz. Gebremst. Geparkt. Ausgestiegen. Losgebrüllt. Ich habe erstmal dermaßen Frust abgebaut, dass meine Freundin kreideweiß und kleinlaut geworden ist. Wie Rumpelstilzchen tobte ich über den Parkplatz! Ich war aber auch sowas von sauer. Wir hatten alles extra vorher besprochen, wie weit ich mit einer Tankfüllung komme, dass sie maximal ein Fahrzeug zwischen uns lässt, dass sie notfalls langsamer wird, um den zwischen uns Fahrenden zum überholen zu drängen … aber nee!

„Ich habe gedacht, dass du noch weiter mit dem Sprit kommst Ich habe immer auf meine Tankanzeige geguckt, da war ja noch genug. Ich habe nicht daran gedacht, dass ich nach 700 und du schon nach 250 Kilometern tanken musst – Ich habe immer in den Rückspiegel geguckt, da waren zwei runde Lichter, ich dachte das sei der Barkas, ich hab erst hinterher gemerkt, dass das ein VW-Bulli war …“ Toller Trost.  „Und wo bekommen wir jetzt Sprit her?“  fragte ich. „Weiß ich nicht, Tankstelle suchen wird schwierig, ich hab ja auch noch kaum was im Tank …“ war die Antwort. „HRRRNGHGHGH!!!!!“ Meine darauf folgenden Wutausbrüche unterschlage ich mal, ist glaub ich besser … Wir kamen überein, dass meine liebe Freundin mit dem Nissan unterm Hintern und einem Kanister in der Hand losfährt und Sprit organisiert. Ich würde auf dem einsamen, mit zwei Laternen spärlich beleuchteten Parkplatz ganz alleine zurückbleiben (Auch ein Phänomen: auf belgischen Autobahnen steht alle zwei Meter eine Laterne von der Leuchtkraft einer Supernova, nur auf den Parkplätzen stehen ausgemusterte Ölfunzeln in Kilometerabstand).

Sie fuhr los. Was dann passierte erzählt sie am besten selbst:

„Ich bin dann also losgefahren mit Reservekanister und mulmigem Gefühl, da der Tank vom Nissan auch ziemlich leer war. An der ersten Abfahrt bin ich von der Autobahn runter und hatte die Möglichkeit rechts oder links weiterzufahren (Schilder haben die nicht so viele)... eene, meene muh...rechts gefahren. Nach ein paar Kilometern kam dann endlich Zivilisation: eine Kreuzung mit Gaststätte, hell erleuchtet. Und welch Glück (es war ja auch schon spät am Abend) kamen aus genau dieser zwei Frauen und ein Mann heraus.

Gleich anhalten, Fenster runter: „Esküse mua,  je schersche ön petit Benzin siwuplä“.
Ich sah in sechs großen Augen, in denen sich völliges Unverständnis widerspiegelte.
Mit Händen, Füßen, wildem Gestikulieren vor dem Tankdeckel kam ihnen die Erleuchtung.
Dann folgte ein französisches Hin und Her der netten Leute und mit jedem „Non“ sank mein Mut.
Nach längerem Hin und Her endlich das erwartete "Oui".

Irgendwie haben wir es geschafft, zu klären, dass alle Tanken nachts geschlossen haben und man nur mit Karte tanken kann. Kein Problem, Karte habe ich. Die freundlichen Damen wollten mitfahren und mir den Weg in die nächste Ortschaft zeigen. Gesagt,  getan. Die Damen quetschten sich ins Auto (es war ja nicht klein, aber es war voller Gepäck), wir fuhren etwa 2 km und endlich war sie da, die Tankstelle!!! Reservekanister raus und erstmal gucken, wie das funktioniert.

Mit Karte tanken ist kein Problem, aber... dazu braucht man eine Tankkarte und diese hatte ich natürlich nicht – SCH****E.

Gott sei Dank hatte jedoch eine von den netten Damen solch eine Tankkarte mit. Also fröhlich den Reservekanister vollgetankt   und den Betrag bar mit französischen Franc zurückbezahlt. Anschließend brachte ich die Damen wieder zurück und fuhr, nach Hunderten von Mercis, wieder in Richtung Autobahn.
Das nächste Problem ließ nicht lange auf sich warten:  Ich komme nicht auf die entgegengesetzte Seite der Autobahn. Es gab zwar eine Abfahrt, aber keine Auffahrt. An der Autobahn entlang fahren, bis endlich eine Auffahrt kommt, war mir zu unsicher, da ich ja kaum noch Sprit hatte. Erst mal wieder zurück zur Gaststätte, vielleicht sind ja die netten Belgier noch da und wissen, wo ich herfahren muss. Aber die netten Leute waren nicht mehr da, in der Gaststätte brannte kein Licht mehr und so war ich mutterseelenallein mitten in Belgien und fand keinen Weg zu meinem Liebsten zurück. Ich fuhr einfach auf der Straße weiter und hofft noch jemanden zu finden, den ich fragen konnte. Rechts ging dann eine Straße rein, die ungefähr zur Autobahn führen müsste. Und tatsächlich – das blöde war nur, sie führte nur über, nicht auf die Autobahn. Da sah ich einen kleinen Feldweg, der direkt neben der Autobahn entlang führte. Und ich stellte mir vor, dass es Menschen geben musste, die sich um den Parkplatz kümmern: Rasen mähen, Abfalleimer leeren, Bäume beschneiden und Hecken lichten; und ich stellte mir vor, dass es auch noch andere Wege dahin geben musste, ohne über die Autobahn zu fahren.

Also müsste ich doch eigentlich über diesen Feldweg bis zu Christian und dem B 1000 kommen. Und tatsächlich führte der Weg bis zum Parkplatz, allerdings nicht bis auf den Platz, sondern ein paar Meter darunter. Also Auto stehen lassen und hinlaufen, waren ja nur ca.
5 Meter Dornengestrüpp vor einem 2,50 Meter hohen Zaun und 5 Meter Dornengestrüpp danach zu bewältigen.

Zerstochen und hundemüde erreichte ich Mann und Auto und übergab den Reservekanister, erzählte von meinem Abenteuer …“

Nun hatte ich natürlich Mitleid mit der besten aller Freundinnen. Freudig nahm ich den Benzinkanister und leerte ihn in den Tank des B1000. Ich schüttelte noch den letzten Tropfen hinein, damit wir auch so weit wie möglich kämen. Nun schraubte ich den Kanister wieder zu und stellte ihn in den B1000. So gerüstet setzte ich mich wieder hinters Steuer, führte den Zündschlüssel ins Schloss. Die Armaturen leuchteten auf. Stromversorgung klar. Ich drehte den Schlüssel weiter. Der Anlasser drehte durch und hörte dann plötzlich auf. „Klick“ sagte er – und sonst nichts. Meine Augenbrauen zogen sich in den Nacken und der Kiefer sackte auf die Knie. „Och nöööö …“ Noch ein Versuch: „Klick“. Sonst nichts. Noch ein Versuch und noch ein Versuch und noch –“Klick“.

Die Armaturen leuchteten in den buntesten Farben nur leider nicht da, wo sie sollten, auch das war neu und verwirrte mich. Drehte ich den Zündschlüssel komplett, erstarb die bunte Fröhlichkeit und es ertönte das dünne, hohe „Klick“ …

Nachts auf einem belgischen Rastplatz

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