Wir zogen uns an, putzten die Zähne und überlegten mal wieder, wie wir hier wegkämen.

Neuer Versuch einen Scheibenersatz zu bekommen: Wir hatten gestern Abend noch einen Bäder- und Toilettenhandel in der Nähe der Autohändler gesehen. Wir warteten bis der Laden öffnete und durchstöberten ihn nach durchsichtigem Duschwandplexiglas (schwer verwirrte Blicke der Angestellten). Fehlanzeige. Inzwischen öffnete auch der Auchan wieder. Es gab lecker Frühstück im Auchan-eigenen Bistro: Pappcroissant mit Glibber-Ei (der Mampf war annähernd so widerlich, wie unser Abendessen - nur wesentlich teurer und weniger), und danach Katzenwäsche in den zugesifften Toilettenräumen.

Dann kam Plan B (oder war es schon „C“, vielleicht sogar schon „W“?) zur Ausführung. Wir gingen den einen Kilometer nach Clamecy hinein und suchten einen „Mr. Bricolage“. Wieder das alte Plexiglas/Folienspiel, wieder nichts gefunden. Wir verbrachten ca. einen Stunde in dem kleinen Lädchen, um auch ganz sicher zu gehen, dass wir auch nichts übersehen haben. „Halt mal die Folie hoch und ich guck durch, ob man was sieht – natürlich nicht!“ „Und diese? … und diese …und diese?“ Alles immer nicht! Raus aus dem Laden. Was anderes probieren.
Mal wieder den ADAC anrufen. Kiosk suchen, Telefonkarte kaufen und Telefonzelle finden. Telefonzelle finden?

Clamecy ist ein wunderschönes mittelalterliches Städtchen. Kein Haus in der Innenstadt ist jünger als 150 Jahre. Einige Hauser sind sogar bis zu 750 Jahre alt. Die ganze Stadt besteht nur aus verwinkelten Gässchen, Treppchen, kleinen, verhutzelten Häuschen und einer beeindruckenden gotischen Kirche. Wir spürten fast die Anwesenheit der Pestopfer, die irgendwanneinmal blutkotzend und wimmernd auf den Steintreppen lagen, der vermeintlichen Hexen, wie sie entrückt, den nahenden Tod vor den Augen in bleicher Schönheit erstrahlten und von der johlenden und geifernd kreischenden Menge bis zum grausamen Ende auf dem Scheiterhaufen begleitet wurden. Man hörte fast das Rumpeln der Karren, wie sie auf dem Kopfsteinpflaster dahinpolterten. Bilder von Gauklern, Händlern, Hexen und Inquisitoren, schönen, tanzenden Zigeunerinnen und erbarmungswürdigen Dorfkrüppeln tauchten vor uns auf … nur leider keine Telefonzelle.

Nachdem wir den Wochenmarkt umrundet, diverse Treppchen und Gässchen hinter uns gelassen hatten, fanden wir schließlich eine Telefonzelle. Nummer gewählt und ab geht’s: „ADääASSää! Gutönn Tagöö!“ Eine Frauenstimme. Mal was Neues. Schnell unser Geschichtchen heruntergebetet. „Essöö tut mirr leidöö, abörrr oitöö ießd ein schwarzöörr Tagö! Suvielöö Autofahrrör abönn Problemöö – könnönne Sie vielleisch spätörr nocheinmal anrufönnö?“ Klar können wir, ham ja nix Besseres zu tun. Wir besuchten den Wochenmarkt, schauten uns Clamecy näher und riefen später nochmal an.

Komisch, komisch, diesmal war unser Auto nicht zu alt, wir hätten Hilfe bekommen können. Leider, leider war dies ein „schwarzöörr Tagö“ und die Hilfe hätte Stunden oder Tage, so genau war das nicht herauszubekommen auf sich warten lassen. Toll, so ADAC.

Ich hatte vom ADAC endgültig die Schnauze voll: „Ach Sch***e wir gehen jetzt zurück zum Auto und klappern Autohändler ab, vielleicht hat ja einer ‘ne Scheibe über, die passt.“ Zum Barkas zurückgedackelt, Kiste abfahrbereit gemacht und Motor angelassen. Zig Augenpaare starrten uns an als der Zweitakter losbrüllte und wir uns endlich auf den, naja, eher irgendeinen, Weg machten.

Wir zeigten dem Opel-Händler, der gestern schon so verständnisvoll ausgesehen hatte, unser Auto. Er war wirklich angetan vom Barkas und bewunderte die deutsche-demokratische Ingenieurskunst, aber helfen konnte er uns auch nicht. Dass in der Nähe, wenn man in Richtung Auxerre fährt, ein Scheibenspezialist ist, gab er uns noch mit auf den Weg. Aber über die Erfolgsaussichten, ob uns geholfen werden konnte, wollte er sich nicht äußern.

Also los ging’s – in Richtung Auxerre. Wir fanden den Scheibenspezi. Natürlich hatte der Laden zu. Kurzes, krampfhaftes Überlegen. Wir fahren weiter und suchen wen, bei dem wir den Wagen unterstellen könne oder fahren Richtung Heimat. Schau'n mer mal.

Wieder auf der Straße. Die Augen juckten, die Fliegen schmeckten nicht, aber es war ein verdammt gutes Gefühl, den Wind in den Haaren zu spüren und die Gewissheit zu haben, mit jedem gefahrenen Meter Bielefeld ein Stück näher gekommen zu sein. Nach einer kleinen Weile stießen wir auf eine T-Kreuzung. Links ging’s nach Auxerre – rechts Richtung Autobahn. Scheiße – existentielle Entscheidung: links oder rechts. „Ääh, öhh, wir fahren, … hmmm… also ich sach mal, eene meene miste …nach links!“ Nicht viel denken – lenken!

Ab ging’s in Richtung Auxerre – eine wirklich folgenreiche Entscheidung!

© Communauté de communes
    des Vaux d'Yonne

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