La Gare du Nord – muffelt ein bisschen streng!

Vorne im Bild: Die zwei hibbeligen Holländer.

Die Karten in den Fingern, strebten wir den Bahnsteigen zu. Fanden auch einen, dessen Buchstabe und Nummer mit denen auf unseren Fahrkarten übereinstimmten. Es gab einen linken und einen rechten Bahnsteig. Unser Fahrziel: Gare du Nord.  Auf den Fahrplan geguckt. Kein Gare du Nord. Nicht links. Nicht rechts. Wie das? Unsere hirnlose Verblüffung im Gesicht erweichte das Herz einer älteren Pariserin, die uns schließlich zum rechten Bahnsteig wies. „Merci, merci!“ Wir schauten nochmal auf den Fahrplan. Kein Gare du Nord. Aber die Dame hatte gesagt, es sei der richtige Bahnsteig. Na denn … Neben uns zwei junge Holländer. Beide Anfang zwanzig. Er rauchend auf den Koffern. Sie sabbelte jeden französisch aussehenden Passanten an. Auf Englisch. Sie war nervös, hektisch. Ihre Augen flirrten. Auf ihren Wangen kleine rote Flecken. Abgründigste Verzweiflung in der Stimme: „Sprechen Sie Englisch? – Aah … gut. Fährt dieser Zug zum Gare du Nord? Wir müssen in einer Stunde am Flughafen sein. Sie sprechen gar kein Englisch?“ Gespiener Fluch. Noch mehr Verzweiflung: „Sprechen Sie Englisch? JA? Wirklich? Oooooh gut! Wir müssen in einer Stunde am Flughafen sein. Dieser Zug fährt doch über Gare du Nord. Oh Gott, wir dürfen den Flug nicht verpassen – gib mir eine Zigarette – es ist der letzte heute – jetzt gib mir schon Feuer –  Sie sind sicher…? Können sie nicht mit uns mitfahren? Wir müssen unbedingt …“ Zittriges nuckeln an der Zigarette. „Fahren sie doch bitte mit uns …“ Immerfort und ohne Pause. Schließlich fand sich einer, der sich ihrer erbarmte. Der Zug kam. Heiß. Stickig. Rappelvoll. Aber wir kamen zum Gare du Nord.

Unser letzte größere Station vor zu Hause. Es breitete sich in uns eine lange nicht gekannte Ruhe und Zufriedenheit aus.

Jetzt musste ich nur noch unsere Plätze für den Zug nach Bielefeld reservieren. Meine Freundin blieb bei dem Gepäck. Arme, Beine, alle Körperextremitäten mussten herhalten, um das Gepäck zu sichern. Die Dame an der Information schickte mich in den ersten Stock, dort könne man seine Plätze reservieren. Ich ging hoch und stellte mich an das Ende einer Schlange, deren Anfang in weiter Ferne versteckt lag. Alle paar Minuten tippelte man ein paar Zentimeter vorwärts. Hinter mir standen inzwischen zwei feiste Amerikaner in Hawaiihemden. Sie quakten lauthals davon, wie schön Europa und wie klein hier alles sei und dass die Menschen so nett wären. Jaja, der hatte auch garantiert kein Windschutzscheibenproblem. Es ging vorwärts und sie quakten lauthals weiter. Irgendwann, kurz vor einem Tinnitus, war ich an der Reihe. Flugs an den Schalter. „Bitte zwei Plätze in dem Zug Paris - Warschau bis Bielefeld reservieren!“ Unverständnis im Gesicht des Gegenübers. Nochmal das Sprüchlein. „Neiiiiijenn! Daaaaa müssen sie nach unten, hier oben ist nur Reservierung für die Fähre nach England.“ Super. Wieder runter. Kurz bei meiner Freundin vorbeigeschaut. Sie schaute mich mit großen Augen an und sprach tonlos: „Zwei Handtaschen wurden geraubt  – dreimal hat jemand das Münztelefon aufgebrochen.“ Zur Reservierung. Diesmal ging es schneller. Alle Karten diebstahlsicher verstauen, Gepäck in Schließfächer – und dann suchen wir uns ein lauschiges Plätzchen. Doof, die Gitarre samt Koffer passte nicht ins Schließfach. Also nahmen wir sie mit.

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