„C‘est la Tour Eiffel.“ – Wir haben ihn gesehen!

Wir gingen, nun fast völlig entspannt, aus dem Bahnhof heraus, vorbei an an einer Horde Punks, die Joints von nie gesehenen Ausmaßen bauten und davon gleich mehrere duftqualmend kreisen ließen, zu einer kleinen Kirche mit einer noch kleineren Grünfläche davor und setzten uns auf eine Bank in den Schatten. Unter uns die quirligen Boulevards, voller hupender Autos, baguettetransportierender Fahrradfahrer, hinter uns eine 130 Jahre alte Sandsteinkirche und über uns ein Blätterdach. War das herrlich! Meine Freundin, die Gitarre und ich saßen und so langsam kam Freude auf, endlich mal in Paris zu sein, der schönsten Stadt des Universums. Wir sahen zwar nicht viel, aber es war schön.

Immerhin konnten wir den Eiffelturm fotografieren. Aus Plastik, in einem Schaufenster, für 149 Franc.

Wir tranken noch einen Schluck in einem Bistro. Das zu bezahlende Entgelt hatte ich genau ausgerechnet. Der Wirt wollte mehr. Er hatte Pech. Mehr hatte ich nicht.

Bald kam die Stunde unserer Abfahrt. Wir holten unsere Taschen und setzten uns an den Bahnsteig. Nicht weit von uns fünf amerikanische „Collegeboys“ mit nacktem, durchtrainierten Oberkörper, die, jeder eine Liste in der Hand, aufzählten, was sie denn heute schon sehenswürdiges gesehen hätten und, nach jedem Aufgezähltem, fein säuberlich ein Häkchen auf ihrer Liste machten.

Nach einer Weile setzten sich buntgekleidete Schwarze (für politisch Korrekte: Farbige) neben uns auf eine Bank und schwätzten auf Französisch, mit einem fürchterlichen afrikanischem Akzent. Es klang fast so schrecklich wie Französisch mit deutschem Akzent. Meine Freundin und ich sinnierten lauthals darüber, wie klasse es doch sei bald wieder in Bielefeld zu sein. Daraufhin dreht sich die vermeintliche Dschungelschönheit um und sagt akzentfrei: ”Sie kommen aus Bielefeld? So ein Zufall, wir müssen nach Hannover.” Guck an, Landsleute!

Der Zug fährt ein, wir nehmen unser Gepäck (natürlich auch die Gitarre) und hasten zu unserem Abteil.

Wir verstauen das Gepäck und lassen uns in die Polster fallen. Als wir so sitzen und uns schon freuen, dass wir das Abteil ganz für uns alleine haben und heute Nacht vielleicht ausgestreckt und in völliger Ruhe schlafen können, öffnet sich die Tür und ein türkisches Rentnerpärchen mit ungefähr hunderttausend Taschen, einem Enkel, einem Sohn und einem riesigen noch verpackten Sony-Plastik-Ghettoblaster fällt ein. Sie besetzen alles und verstopfen auch noch das letzte Lückchen Platz mit Tüten und Taschen. Ich kriege von ihrem, auf französisch geführten  Gespräch gerade soviel mit, dass sie nach Berlin zur Verwandtschaft fahren und dass der Sohn hierbleibt. Klasse, da hat jeder heute Nacht ein Fünftel Sitzplatz mehr zum Schlafen.

Schon pfiff der Schaffner sein kurzes Lied, der Zug ruckelte an und endlich, endlich rückte das heimatliche Bett (und Klo!) in fassbare Nähe.

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